There is a House in New Orleans

Die Fahrt durch das Mississippi-Delta ist, als wären wir auf einem anderen Planeten, entlang der verschiedenen Flussläufe, die sich durch den Sumpf ziehen, von mehrere Meter breiten, kräftig gelben Sumpfdotterblumenteppichen gesäumt, wundervoll kontrastierend zu dem sich in den Wassern spiegelnden Himmelblau, unterbrochen von Bäumen, mit langen dschungelhaften, im Südwind wehenden Bartflechten behangen. Schwarze, graue, weiße Reiher dösen auf einem Bein in der Mittagssonne vor sich hin. Der Highway zieht sich über Meilen auf Betonpfeilern durch den Sumpf, vorbei an riesigen Wasserflächen von Seen, die in ihrer Endlosigkeit den Eindruck vermitteln, übers Meer zu fahren.

So mit voller Bewunderung aufgetankt, erreichen wir New Orleans und stoppen gleich hinter der Stadtgrenze an einem kleinen Lokal, um unseren Hunger zu stillen.

Von delikaten kreolischen Speisen gesättigt wollen wir weiterfahren. Nun haben wir die Helme auf dem Topcase mit einem Fahrradzahlenschloss gesichert und Martin entdeckt, dass er das kleine Metallschildchen mit der Nummer verloren und sie vergessen hat. Über eine halbe Stunde braucht er, um den Code zu knacken. Jetzt aber rasch. Unser Airbnb- Vermieter wartet.

Erst steuern wir auf die tolle Skyline mit spiegelnden Wolkenkratzern und dem helmartigen Mercedes- Superdome zu, dann verändert sich die Stadtlandschaft, breite Alleen, Grünstreifen in der Mitte, auf dem die historischen Trambahnwagen aus dem 19. Jahrhundert immer noch fahren, überdacht von weit ausladenden Eichen und Gummibäumen, gesäumt von entzückenden in schönen Farben gestrichenen Holzhäusern mit Säulen, Patios, Veranden und verzierten Balkons hinter üppig blühenden und mit Bananenstauden oder Orangenbäumen bestückten Vorgärten…. In den Nebenstraßen stehen die Häuser enger, sind kleiner, aber die meisten ebenso hübsch, manche bedürfen einer Renovierung.

In der Jeannette-Street halten wir vor unserem Ziel, einem der schmalen Langhäuser und werden warmherzig begrüßt von drei reizenden jungen Menschen in den 20ern, Taylor, ein Musiker, – das Haus ist voller Instrumente und Technik -, der seinen Lebensunterhalt mit diversen Jobs und der Airbnb- Vermietung bestreitet, seine hübsche und charmante Freundin Ingrid Mercedes aus Venezuela, Innendekorateurin, und Fernando aus Guatemala, der Koch in einem mexikanischen Lokal ist und für ein eigenes Restaurant spart.

Sie haben zusammen fünf Hunde, einen Labrador,

zwei Pittbulls und zwei kleine Schoßhündchen.

 

Der größere Pittbull ist so ein Kraftpaket, dass er immer vor uns weggeschlossen wird, damit er uns vor lauter Übermut nicht umwirft. Die anderen sind so freundlich und lebhaft und besuchen uns immer, wenn wir auf unserem Terrässle sitzen. Die beiden jungen Männer bewohnen mit den Hunden den hinteren Teil des Langhauses. Das vordere Zimmer mit studentischem Flair ist für uns; atmosphärisch, mit alten Möbeln und junger Kunst zurechtgemacht, versetzt es uns doch in Erinnerungen an lang vergangene Zeiten…

Wir sind familiär und liebevoll untergebracht, die Nachbarschaft ist farbig, wir sind mitten im normalen Leben in New Orleans ab vom Tourismus und genießen diese Authentizität sehr. Es erinnert auch an unseren Kenia-Aufenthalt. Die drei jungen Leute, die uns adoptiert haben, sind jetzt unsere NOLA- Kids. Wir treffen uns auch nach unserem Umzug zu gemeinsamen Unternehmungen – Taylor war schon ausgebucht und konnte uns nach unserer spontanen Aufenthaltsverlängerung leider nicht weiter beherbergen.

Es ist Halloween. Wir wagen die ersten Schritte in diese verrückte Stadt und feiern abends in der Bourbon-Street mit Jazz, Soul und Blues…der Traum!

New Orleans hat die höchste Mordrate der USA, 400 Tote pro Jahr, noch mehr Angeschossene, die überleben. Wir wurden überall gewarnt, nicht in bestimmte Viertel, Parks und auf die Friedhöfe, die aufgrund des sumpfigen Untergrunds hier voller Mausoleen sind, zu gehen und unsere Wertsachen ohne Wenn und Aber abzuliefern, wenn wir von einer Waffe bedroht werden. Das hat uns schon Angst gemacht und anfangs haben wir uns nur im French Quarter aufgehalten. Wir hören viele Sirenen und sehen oft Blaulichter. Und wir meiden, ganz klar, einsame Gegenden, obwohl wir auch schon mutig waren und mal abends zu einem 1km entfernten Weinlokal mit Jazz gelaufen sind. Aber man hatte uns gesagt, es sei sicher. Man hatte uns auch gesagt, das French Quarter sei sicher, wo wir häufig sind und an allen Ecken Tag und Nacht wunderbare Musik genießen können. Vor drei Tagen wurde dort jemand umgebracht. Aber keine Angst. Es leben so viele Leute in der Stadt, und Taylor sagte uns, die Vorkommnisse geschähen meist in der Drogen- und Kriminellenszene. Hoffentlich…

Dennoch, wir haben unseren Aufenthalt verlängert, denn die Stadt ist so wunderschön, vielfältig, voll Kreativität, Musik, Kunst und Kitsch, total verrückt und so charmant, ein Kosmos für sich, mit nichts vergleichbar. Die Fotos können das gar nicht wiedergeben. Wenn ich nochmal wiedergeboren werde, will ich hier leben. Wirklich!

Nur nicht in den heißen, feuchten Sommern…