Reisen in die Vergangenheit – Lancaster
Auf nach Lititz im Lancaster County zu Linda und ihrem wunderschönen Haus mit Dielenboden, traumhaften antiken Möbeln und einem tollen Garten, und vor allem den kunstvollen, einmalig schönen Aquarellen, die ihre Freundin Lynne Yantcha, eine Künstlerin, von ihr und ihren Kindern angefertigt hat.
Linda ist resolut und wirkt etwas frustriert – wir vermuten, aufgrund eines Schicksalsschlags, aber sie ist freundlich und hat ein warmes Herz. Sie hat gute Tipps für uns, holt uns extra eine DVD über die Amish aus der Bibliothek, überlässt uns ihre Dauerkarten für das Kloster, deckt vor ihrer Arbeit einen liebevollen Frühstückstisch für uns etc. Sie arbeitet als Führerin durch die Amish-Kultur, empfiehlt uns aber, da sie erst begonnen hat, eine bessere Tour zu buchen.
Erstmal aber besuchen wir das Kloster Ephrata, das mit einer Überraschung aufwartet: Es wurde 1732 von Conrad Beissel aus Eberbach im Odenwald gegründet. Dieser war nach Pennsylvania gekommen, nachdem er seines mennonitischen Glaubens wegen erst im Gefängnis saß, dann von der Kirche aus der Heimat verbannt wurde.
Hier in Ephrata, der Partnerstadt Eberbachs, lebten Brüder und Schwestern miteinander im Zölibat (!), arbeiteten – unter anderem betrieben sie eine Druckerei – beteten, aßen nur abends, ausschließlich vegetarisch und so wenig wie möglich, und schliefen auf schmalen harten Bänken mit einem Holzklotz als Kopfkissen ebenso wenig, weil sie ähnlich leben wollten wie Gott, der nicht isst und nicht schläft. Sie sangen viel und schön zur Ehre Gottes, vor allem in deutscher Sprache, wie man auf den wunderschönen Handschriften sehen kann, die jene angefertigt haben, die nicht singen konnten. Der Orden hatte noch 300 weltliche Anhänger, Farmerfamilien, die das Kloster unterstützten.
Die interessante Führung – der Führer im damaligen Mönchsgewand – und der anschließende Gang durch die Gebäude, das Gelände und entlang des Flusses, in dem die Gläubigen getauft wurden, führen uns auch innerlich in eine andere Welt, eine Welt der Ruhe und Beschaulichkeit.
Nach dem Tod Beissels wurden die Ordensregeln unter dem nachfolgenden Klostervorsteher Miller aufgeweicht, was am Ende zum Niedergang des Klosters führte.
Beide, Beissel und Miller, liegen auf dem kleinen Friedhof nebeneinander. Ein hässlicher vergilbter Plastikdeckel schützt die Grabplatte Beissels zwar vor Umwelteinflüssen, jedoch auch vor den Blicken der Besucher. Schade!
Im Museumsladen begegnen wir Mennoniten, die wir fälschlicherweise mit den Amish verwechseln. Ja, die Mennoniten haben auch Häubchen. Sie dürfen aber im Gegensatz zu den konservativeren Amish geblümte Kleider tragen und Fahrrad fahren. Das erfahren wir jedoch erst ein paar Tage später.
Der Zufall will, dass an diesem Tag Mitglieder des Chors von Ephrata, der u.a. die Gesänge Conrad Beissels im Repertoire und sie schon in Eberbach aufgeführt hat, vor dem Kloster Hähnchen (natürlich aufgezogen), Folienkartoffeln, Apfelmus und Eistee anbieten. Wir nutzen die Gelegenheit zum Mittagessen an diesem schönen Ort.
Die Heimfahrt wird leider etwas feucht.