Myrtle Beach und wieder eine Legende

Wieder haben wir AIRBNB gebucht, bei Natalya und Robert Honablue. Wir fahren durch den Frühling North Carolinas und kommen an einen grauen Bungalow in einer schönen Wohngegend. Natalya und Robert sind noch nicht da. Wir sollten eine halbe Stunde vor Ankunft anrufen, die Telefonverbindung hatte nicht geklappt. Aber es macht uns nichts aus, auf die beiden zu warten.


Sie sind sehr nett, wir haben immer so ein Glück mit unseren Gastgebern! Robert begrüßt uns mit einem Scherz, und in der Wohnung wartet ein süßer dreijähriger Labradormischling, der sich anfangs vor unserer schwarzen Motorradkleidung fürchtet. Wir werden aber in den paar Tagen dicke Freunde.

Und noch eine Freundschaft schließe ich, nämlich mit einer etwa 60 cm langen Bartechse, die die meiste Zeit das Leben auf einem Ast unter der Wärmelampe genießt und mich immer neugierig beäugt, wenn ich mit ihr spreche. Sie heißt übrigens Frankie. Das neugierige Tier darf auch mal raus, und es ist immens beeindruckend, so eine warme, etwas stachelige Echse im Arm zu halten. Da Frankie ein ganz ruhiger und langsamer Charakter ist, genieße ich diese Premiere sehr.

Der Garten grenzt an ein Gewässer, See oder Flüsschen, das ist für uns nicht auszumachen. Das Interessante aber ist, dass am gegenüberliegenden Ufer mehr als 20 Schildkröten immer dann, wenn einer sich dem Wasser nähert, platsch platsch platsch… – ins Wasser springen und herüberpaddeln, die Köpfchen gen Himmel gereckt, in der Hoffnung, gefüttert zu werden. Sie werden selten enttäuscht und schnappen im Futterneid schnell nach den Brotstücken.

Auch Muskovy-Enten schauen vorbei.


Natalya ist, wie der Name verrät, russischer Abstammung, besser gesagt aus Moldawien, wo sie aufgewachsen ist. Doch hat sie auch österreichisches Blut, da ein Vorfahre von dort nach Moldawien umgesiedelt ist. Wir mögen sie auf Anhieb. Sie wird uns morgens leckere Frühstückseier mit Käse und Würstchen zaubern.
Im Laufe des Abendgesprächs stellt sich dann heraus, dass Robert Honablue ein Record Ingenieur ist, besser Music Mastering Ingenieur, und dass er LPs von berühmten Pop- und Jazzgruppen bearbeitet hat. Uns fällt schon ein bisschen die Kinnlade herunter, wie er von Santanas Abraxas ( „Samba Pa Ti“, „Black Magic Woman“ und „Oye como va“), Ten Years After, Barabara Streisand, den Sisters Sledge, Joe Cocker, Bob Dylan und vielen anderen aus unseren „heißen“ Tagen erzählt. Sogar Woodstock hat er gemacht. Nach Engagements bei einschlägigen Plattenfirmen eröffnete er schließlich sein eigenes großes Studio in New York und begann dort zudem junge Tontechniker auszubilden. Wer Will, kann ihn mal googeln. Auch seine lebenslange Freundschaft mit Dave Brubeck und George Benson beeindruckt uns tief. Da reisen wir durch das große Amerika und treffen auf solch eine Legende! Wie aufregend!

Am darauffolgenden Tag fahren wir beide in den Brookgreen Gardens, einen Park, berühmt für seine 1200 Skulpturen (nein, kein Druckfehler!), unter anderem auch die seiner Besitzerin Anna Hyatt Huntington, einer hervorragenden Künstlerin, wie wir finden. Der Park ist herrlich, mit lauschigen Nischen und Eckchen, wo es überall schöne Bronzen oder Steinskulpturen sowie in Stein gemeißelte romantische Gedichte zu entdecken gibt, ebenso Brunnen und auch ein kleines Museum. Wir finden sogar einen Garten für Kinder mit vielen Engelchen und Tierfiguren. Dann wieder kommen wir auf unserer Wanderung durch den Park in freieres Gelände, sehr gepflegt, mit großen Figurengruppen, als englischer Garten angelegt. Es ist ein wunderschöner sonniger Tag, und wir genießen diesen Ausflug bis zum Abend.

Zurück in unserem Quartier erfahren wir im Fernsehen von den Unruhen in Baltimore. In diesem Jahr kommt es immer wieder vor, dass Polizisten unbewaffnete schwarze Bürger zusammenschlagen, lebensgefährlich verletzen oder hinterrücks erschießen. Kein Wunder, dass die Wut in der Bevölkerung hochkocht. Gemeinsam mit Honablues verfolgen wir die Geschehnisse.
Dann telefoniert Robert mit Debbie Sledge, die mit ihm gerade ihre erste Solo-CD ohne ihre Schwestern aufgenommen hat  (wir bekommen ein Exemplar!). Sie tritt in einer Woche in Kopenhagen auf, und Robert organisiert 2 Freikarten mit Backstagezugang und Abendessen mit der Künstlerin exklusiv für unseren Kai. Der aber hat ein wichtiges Examen und kann das Angebot schließlich nicht annehmen. So ein Pech aber auch!

Robert übergibt uns den Hörer und auch wir sprechen beide ein paar Worte mit dem Star.

Für den nächsten Tag hat unser Gastgeber ein besonderes Angebot für uns: Wir dürfen mit in sein Studio, das er in Myrtle Beach eingerichtet hat, obwohl er eigentlich in den Ruhestand wollte. Aber die Musik lässt ihn nicht los.

Dort sehen wir leibhaftig einige der berühmten Platin-Schallplatten und Fotos „seiner“ Stars an den Wänden und bekommen viele Informationen über seine Arbeit.

Dann zieht Robert zu Demonstrationszwecken eine alte Aufnahme einer Swing-Gesangsgruppe aus der Mottenkiste, und wir bearbeiten zusammen den Song, er technisch, ich musikalisch. Es macht mir sehr viel Spaß! Am Ende kommt ein klanglich ganz passables Stück raus. Macht mich natürlich stolz!

Schließlich kommt am späten Nachmittag noch ein Höhepunkt: Naomi Schulman – den Namen muss man sich merken! Von der wird man noch hören! Sie studiert Gesang und besingt heute ihre Demo-CD mit einem neuen Popsong. Wow, hat diese kleine Person eine große Stimme.
Sie gibt uns auch eine kleine Kostprobe der Mimi aus der Boheme. Toll! Ich bin hin und weg. Wenn sie die richtigen Leute trifft, hat sie eine große Karriere vor sich. Dann gehts zum Take in den Aufnahmeraum. Wir sind dabei. Das Aussteuern übernimmt eine sympathische Studentin Roberts unter Anleitung ihres Lehrers. Nach getaner Arbeit werden Riesenpizzas geholt und zum Abschluss gemeinsam verspeist, Natalya, die seit einigen Jahren sehr talentiert und kreativ das Coverdesign für die produzierten CDs macht, kommt nach ihrer Arbeit dazu. Dann fahren wir wieder nach Hause, um einige tolle Erfahrungen reicher.

Tags darauf besuchen wir den Huntington State Park, der Brooksville Gardens gegenüber liegt. Das Anwesen von Archer und Anna Hyatt Huntington wurde1960 als State Park ausgewiesen, ein 10 qkm großes Gelände, direkt am Meer gelegen. Das nicht sehr prunkvolle maurisch anmutende Gebäude, Atalaya Castle genannt, steht noch, allerdings fast ohne Interieur, etwas ruinös, da lange Zeit sich niemand für die mit hohen Kosten verbundene Renovierung fand. Dennoch beeindruckend, durch die Geisterräume, Ateliers und Bedienstetenwohnungen zu wandern. Besonders hübsch der streng geometrische Garten. Die Bildhauerin hatte sogar Käfige und Stallungen, in die sie als Modelle für ihre Arbeiten allerlei Tiere, selbst Bären einquartierte, denen aber nach Vollendung der Skulpturen wieder die Freiheit geschenkt wurde.

Dann ist es noch mitten am Nachmittag, unser Eintritt für den Skulpturenpark gegenüber ist noch einge Tage gültig, und wir beschließen, noch in den dortigen Zoo, eher Wildpark, wie unsere Enkelin an den Fotos ganz richtig erkannt hat, aufzusuchen.

Am nächsten Morgen müssen wir auch auch auch schon wieder weiter und verabschieden uns von unseren neuen Freunden. Wir bleiben auch mit ihnen in Kontakt und hoffen, dass sie uns mal zuhause besuchen kommen.