Das kleine Haus in Weeki Wachee

So, jetzt sind wir in unserem gemieteten Häuschen am Weeki Wachee River angekommen, wo wir auch schon bald ungewöhnlichen Besuch bekommen…Das Blockhaus ist total süß hergerichtet, die Motive Elch und Bär ziehen sich durch alle Räume und verbinden uns auf wunderbare Weise mit dem Ausgangspunkt unserer Reise, Washington State.

 

Linda und Larry, unsere Landlords, in etwa unser Alter, kommen von gegenüber, um uns zu begrüßen, und wir stellen sehr schnell fest, dass wir mit ihnen das große Los gezogen haben: Sie sind unglaublich nett und verwöhnen uns nach Strich und Faden. Der eher ruhige Larry bringt uns täglich die Zeitung rüber und versorgt uns mit allerlei Tipps, insbesondere fürs Angeln. Linda ist eine ganz reizende, temperamentvolle, gut aussehende Lady, die mehr als alles tut, damit wir uns zurechtfinden und wohlfühlen. Sie nimmt mich mit zum Shopping in einen tollen Laden, der grad Prozente anbietet, jeden Dienstag 15% für Frauen über 50. Ich finde tatsächlich einige Teilchen für mich und ein Hemd für Martin. Das Couponing, sprich Gutscheine aus der Zeitung ausschneiden und verwenden, ist hier in Amerika oft sogar ein Sport. Linda bringt uns einige, gibt uns Empfehlungen bzgl. Restaurants, Einkauf und Unternehmungen, und wir verstehen uns prächtig. Und den Girlies‘ Day mit anschließendem Cafebesuch wollen wir jetzt öfters wiederholen. Als New Yorkerin spricht sie sehr deutlich, und wenn ich sie nicht immer verstehe, liegt das an meinen mangelnden Sprachkenntnissen. Aber wir kommen gut zurecht. Wir verbringen auch zu viert nette Stunden, mal beim Wein, mal beim Adventskaffee. Das Häuschen haben die beiden für uns tiptop hergerichtet und weihnachtlich dekoriert. Es fehlt uns an nichts!

Ein wunderbares Erlebnis ist, nach der beleuchteten Bootsparade, eine Einladung zum High Class Tea in einem historischen Haus in Brooksville. Larry chauffiert uns, und es ist toll, nach all den Monaten mal wieder in einem Auto zu sitzen. Die vier Räume des weiß gestrichenen, festlich beleuchteten Hauses sind romantisch eingerichtet. Wir bekommen drei herrliche Tees in schönem alten Geschirr serviert, Refill so viel wir möchten. Dazu gibt es allerlei Feines, z.B. Quiche, kleine edle Sandwiches, delikaten Geflügelsalat, vorher ein Tomatensüppchen, und verschiedene Desserthäppchen. Die Bedienerinnen, wie der Österreicher hier treffend sagen würde, in traditionellem Schwarz mit weißer Schürze und Häubchen. Die Besitzerin und Köchin, eine junge blonde Schönheit mit schwedischen Vorfahren in langem stilvollen Gewand, eine Geigerin, die notenrein Weihnachtslieder intoniert, das alles in dem hübschen, weihnachtlich aufgemachten Ambiente mit der reizenden Gesellschaft von Linda und Larry:  Es ist ein besonserer Abend. Ich genieße es sehr, mit meiner neuen Bluse mal wieder ein bisschen feiner (damit Nomen mal wieder Omen ist) aufgemacht zu sein, nach all dem Outdoor-Motorradlook der letzten Monate.

 

Es wird auch eine Kutschfahrt angeboten, aber die ist ausgebucht. Doch die Mutter der Kutscherin spricht uns an  – auf Schwäbisch! Sie kommt aus Villingen-Schwenningen und lebt seit vielen Jahren hier in Brooksville. Na, das gab ein Geplauder, man stelle sich das vor!

Nach diesem außergewöhnlichen Dinner besuchen wir ein zweites altes Haus, ein Museum, hergerichtet und geschmückt von Vereinen. Damen in Reifrockkostümen des 19. Jahrhunderts erklären ausführlich und sichtlich stolz auf ihre Historie das Ambiente und die Hintergründe des Hauses und ihrer Besitzer. Man bedenke, die Geschichte des „weißen“ Amerikas ist um ein Vielfaches kürzer als in good old Europe! In einem Raum befinden sich Fotos von Elvis und der ersten Mermaid, derer hier gedacht wird. Die Mermaids haben in Weeki Wachee eine wichtige Bedeutung, auf die wir später noch zurückkommen werden.

Und weil wir von den historischen Häusern nicht genug bekommen können, besuchen wir am anderen Tag auch noch Chinsegut Hill Manor House, wo ein Adventsnachmittag stattfindet.

In den nächsten Tagen unternehmen wir eine Fahrt nach Bayport, wo es den schönsten Sonnenuntergang zu betrachten gibt, eine nach Pine Island, dem Badestrand am Golf von Mexiko, wo leider grad ein eisiger Wind pfeift, aber eine unüberschaubare Vogelschar ein Schauspiel aufführt – dort sehen wir auch zum ersten Mal den Kopf eines Manatees auftauchen, und wir wandern in einem Naturreservat durch eine wunderbare Seenlandschaft. Ja, zum Wandern muss man hier in diese Parks oder Reservate fahren, da die Wälder dschungelhaft undurchdringlich, und mit Schwarzbären- und Pumabestand nebst Alligatoren und Schlangen nicht ungefährlich sind. Oder aber es sind Sumpflandschaften oder eingezäunte Privatgrundstücke, oft Ranches. Aber es gibt kilometerlange Trails in den Parks, gut beschildert, und der Wanderer oder Radfahrer kommt auf seine Kosten, auch wenn man in Amerika hauptsächlich mit dem Auto unterwegs ist.

Auf dem Samstagsmarkt in Springhill entdecken wir deutsches Brot von einer deutschen Bäckerei und ordern für die nächste Woche einen geschnittenen Frankenlaib. Das ist ja nun nach dem Pflatschbrot der letzten Monate eine Delikatesse. Und auch Linda schmeckt dieses Versucherle.

Wir genießen unser Haus und BP, unseren Adoptivkater, schlafen bis in die Puppen, kochen mal wieder, sehen mal wieder fern, amerikanisch oder deutsch, und freuen uns riesig über unseren Ruhestand!