Auf nach Hot Springs

Das Wetter ist ungemütlich. Die Interstate auch. Wir rasen Richtung Süden. Die Wolkenkrimis sind spannend und als Fotomotiv geeignet, die Landschaft eher unspektakulär.

Ich sehe mal ein merkwürdiges Pelztier über eine Wiese hoppeln. Vielleicht ein Dachs oder Skunk. Aber bevor ich die Kamera auch nur ansetzen kann, sind wir schon vorbei. So bleiben viele schöne Motive auf der Strecke. Schade.

Links an der Autobahn, überraschend nach all den armen überfahrenen Hunden und einigen Rehen, an denen wir bislang vorbeifuhren, ein totgefahrenes Gürteltier. Ich wusste gar nicht, dass es die hier gibt.

An der Grenze zu Arkansas eine riesengroße Tafel im Schilderwald: „Antiracism is a Codeword for Antiwhite“ – Antirassismus ist ein Codewort für antiweiß. Was soll das? Wer stellt sowas auf? Ist mir schwer unsympathisch. Und ich fotografiere es aus Prinzip nicht.

In den Industrievierteln der Städte entlang des Highway sieht man oft Fertighäuser zum Verkauf. Die stehen schon fix und fertig da, werden beim Kauf auf Tieflader geschoben und zum Zielort transportiert. Dort werden sie dann auf das vorbereitete Fundament gehieft und sind gleich beziehbar. Es gibt viele verschiedene Modelle, lange und kürzere, die Farben sind allerdings in tristen Grau- und Beigetönen gehalten. Und so kann man, wenn man umzieht, sein Haus wieder mitnehmen. Amerika ist voll solcher Mittelklassehäuser.

Es klart auf und die Sonne kommt raus, wenngleich der Wind noch kalt unter unsere Helme pfeift.

Der Arkansas-River ist überraschend riesig, viel breiter als unser Vater Rhein bei Köln oder Düsseldorf. Die Straße und Brücke, die wir überqueren, lassen wegen der hihen Leitplanken ein schönes Foto über die volle Breite leider nicht zu. Das Wasser ist tiefbraun und aufgewühlt.

Ich habe bis heute nicht gewusst, dass die Amerikaner das Wort „Arkansas“ „Arknso“ (offenes „o“) aussprechen, erste und letzte Silbe betont. Auf manches stößt man doch in 60 Jahren nicht….Schande!

„Hotsprings“, die heißen Quellen, kenne ich aus der Biographie von Kathreen Hepburn. Es war einstmals ein berühmtes Bad, wo eine Kur machte, wer was auf sich hielt und das nötige Kleingeld besaß. Eines der alten Badehäuser finden wir noch in Betrieb mit Öffnungszeiten von 8-10 und 13-14.30. Die anderen dienen heute als Restaurants oder Boutiquen. Wir schlendern durch dieses kleine historische Viertel und trinken aus dem Kurbrunnen. Das Wasser soll angeblich verjüngen, ich merke aber bedauerlicherweise nichts davon. Die Häuser sind hübsch, die unter Denkmalschutz stehenden Badehäuser auch. Eigentlich wollten wir am nächsten Tag dort ins heiße Thermalwasser eintauchen. Aber wir fühlen uns nicht wirklich zum Baden eingeladen, zumal zu diesen (Un-)Zeiten.

Wir essen in einem mit Kitsch vollgestopften 50er Jahre Lokal, wo uns eine dicke, nicht sehr gepflegte Frau bedient. Aber die Speisekarte verheißt Gutes: Grandmas Country-Kitchen – Großmutters Landküche. Martin isst einen Countryburger, den es eigentlich überall gibt, der aber mit den Süßkartoffelpommes und spezieller Soßen besonders schmeckt. Und ich bestelle mir gebratene Leber mit gemischten Bratkartoffeln (lila, gelbe, rote, weiße, süße…) und Weißkrautsalat. Außer den Kartoffeln schmeckt es wie früher bei meiner Mutter. Nur die gebratenen Apfelscheiben fehlen. Mann ist das gut!

Am nächsten Tag müssen wir 60 Meilen durch wunderschönes, gepflegtes Ranchland mit Pferden, Kühen, Wildgänsen, Weihern hinter weiß gestrichenen Zäunen, die sich kilometerlang um die riesigen Weiden erstrecken, zurücklegen, ideal zum Reiten. Claudi, Du wärst hin und weg… Dazwischen Laubwälder und Seen. Neben den Kolkraben und Falken kreisen mal wieder Seeadler über unseren Köpfen. (Gottseidank nicht der Pleitegeier!) Wer würde hier nicht leben wollen….

Ja, und dann leihen wir uns am Crater Diamond, dem einzigen staatlichen, der Öffentlichkeit zugänglichen Diamantenfeld eine Ausrüstung. Auf dem Foto seht Ihr Martin im Diamantenfieber. Jährlich werden etwa 600 gefunden. Der letzte Fund am Tag vor unserem Erscheinen. Ich denke mir bald, dass das Glück der Erde nicht auf diesem Feld  in Form von zusammengepressten Kohlenstoffteilchen zu holen sei und gebe das aussichtslose Unterfangen bald auf, denn es ist eine elende Schlammschlacht, die Diamantenwäscherei, so ohne Gummistiefel und Overall. Martin sieht dementsprechend aus und benötigt samt Motorradhose abends eine Generalüberholung. Ich genieße lieber die Betrachtung der Achate, die da zuhauf in großen Stücken ihre Schönheit zeigen und die außer mir sicher niemand beachtet, da sie alle nur auf Diamanten scharf sind, die da schürfen. Man stelle sich vor, diese Größe des Kraterfeldes (noch 3x so viel Fläche wie auf den Fotos), und ein Diamant von 3-5 mm ausgerechnet in unserem Eimerle, wo Hunderte Menschen täglich, v.a. auch aus der unmittelbaren Umgebung, suchend, schürfend, waschend ihre Freizeit verbringen. Immerhin wird das gesamte Areal alle paar Tage von Baggern umgewälzt. Und was man findet, darf man behalten. Der größte 1965 gefundene war der Amarillo-Diamant mit 16,5 Karat. Dann gabs noch drei bis vier 10-karätige. Martin schürft dafür einige Calcitsplitter (um die 1 mm). Hat wegen der Ähnlichkeit zuerst gedacht, er hätte Diamanten gefunden. Hihihi! Mal ehrlich: Schön wärs gewesen! Auf der Rückfahrt nach 3 1/2 Stunden passieren wir wieder neidvoll die herrlichen Ranches. Vielleicht hatten die Leute ja mehr Finderglück als wir, oder, und das ist wohl wahrscheinlicher, sie haben Reichtum und Anwesen anderweitig erworben. Aber es hat uns Spaß gemacht, in dem herrlichen Sonnenschein ein bisschen zu träumen.

Abends landen wir noch in einer Billiardkneipe, verrucht, verraucht, mit zahnloser Bedienung, die schon bessere Jahre gesehen hat, obwohl sie auch im jetzigen Alter noch ganz gut aussähe – mit Gebiss. Es gibt einen super Burger, „den besten weit und breit!“ (was sonst…)