Walking in Memphis!

Sie haben uns gewarnt. Sogar Leute, die dort wohnen und einen Wochenend-Harley-Ausflug nach Hotsprings gemacht haben. „Be careful in Memphis!“ Es ist die Stadt auf Platz 4 der Liste der amerikanischen Kriminalitätsrate, die Heimat des Blues, des Soul und des Rock´n Roll.

Die Fahrt ist weniger interessant. Auf der Interstate faszinieren nur immer wieder die Trucks und Silos. Doch eine kurze Unterbrechung auf einer Nebenstrecke bringt Abwechslung. Und die Halloweendeko an einer Tankstelle.

Das Gefühl beim ersten Blick auf den Mississippi ist unbeschreiblich. Der Traum unserer beider Kindheit. Das Herz schlägt höher. Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Indianer Joe und Becky Thatscher werden wieder lebendig vor dem geistigen Auge.

Ein Motel downtown nahe der Dr. Martin Luther King jr. Road, mit Sicherheitszaun, nächtlicher Festbeleuchtung und Wachmann – und einem goldigen Eichhörnchen und ein paar Tauben als abendliches Begrüßungskomitee. Gegenüber ein chinesisches Schnellrestaurant, die Portionen in 3facher Größe. Wir nehmen unseren Rest mit und haben für den nächsten Tag nochmal eine volle Mahlzeit.

Nach einem tiefen Schlaf fahren wir hinaus nach Graceland zu … ja, zu was? Elvis‘ Wohnhaus, Elvis‘ Autos, Elvis‘ Flugzeug, Elvis‘ Grab, Elvis‘ goldene und Platin-Schallplatten, Elvis‘ Songs nonstop aus 100 Lautsprechern, Elvis’… – 5 1/2 Stunden ELVIS-Walking mit einer Stunde Schlangestehen. Aber jede Minute lohnt sich. Es ist toll. Die Konzertmitschnitte aus verschiedenen Phasen seiner Karriere,  sein charmantes Lächeln, der unnachahmliche Hüftschwung, der die Mädels kreischen ließ, die zur Schau gestellten Elvis-typischen glitzernden Showkostüme mit den Schlaghosen, die Schuhe, die Gitarren, der Dschungelraum, in dem er gerne gefrühstückt hat, die Wand voller Originalschecks, die er für karitative Organisationen gespendet hat, Fotos seiner Eltern. Kleider seiner Mum: Der King wird in uns lebendig und doch haben ihn alle diese Dinge überlebt. An seinem Grab in Gracelands Park erfahren wir, dass er nur 42 Jahre alt geworden ist. Es war nicht mal „unsere“ Zeit, aber es berührt uns tief.

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Abends vorbei am berühmten Sun-Studio, das viele berühmte Musiker unter Vertrag hatte, in die Bealestreet, d a s Vergnügungsviertel mit lauter Livemusik aus jeder Kneipe, eine neben der anderen, es soult, funkt und rockt wie auf dem Rummelplatz – es ist ein Rummelplatz; die Straße voller Freaks, Touristen, Normalos, Junge und Alte, Elegante und Lässige jeder Hautfarbe, und nicht zu vergessen die vielen Musikanten auf der Straße, die nicht in einer Bar oder Restaurant untergekommen sind, mit Trauben von Zuhörern davor. Die ganze Bealestreet für Autos von mords Polizeiaufgebot gesperrt. Kitschig beleuchtete Kutschen bieten Fahrten an. Bunte Leuchtreklame, bekannte Namen: B.B.King, Jerry Lee Lewis, … Ein einziger Rausch…

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An einem Kiosk bestellt Martin ein Budweiser light und ich einen Frozen Margherita. Und jetzt kommts: „Can I see your ID-Card?“ Kann ich Ihren Ausweis sehen? Wir stutzen. Gibts das? Ich sage, ich sei schon über 30. Aber das Fräulein besteht darauf. Ich habe die Karte nicht dabei. Martin zückt seine. Das Problem: Das Datum. Dort steht 14.11…., die Amerikaner schreiben 11.14….Martins Erklärung will sie nicht verstehen. Wenn man es drauf hat, weiß man, dass es keinen 14. Monat gibt. Sie hats nicht drauf und geht zum Chef. Der guckt mich an und genehmigt mir den Alkohol. Ist das zu fassen? Wir haben uns krumm gelacht.

Ganz am Ende der Bealestreet nach einstündigen Erkundungsbummel ziehen uns Blues- und Soulrhythmen in ein schlichtes Lokal voller „Blacks“ – hier sind wir richtig! Die Band: Durchschnittsalter 65, der Jüngste ist der Keyboarder – graue Dreadlocks, Bärtchen, tolle Stimme; der Bassist: weißes Stetsonhütchen und einen affenscharfen Funk, der Schlagzeuger mit Krückstock an den Sitz gelehnt, kommt nach der Pause kaum auf das Podestchen hoch, aber an seinen Trommeln ein absoluter Könner; der Sologitarrist: Altmännerschildkappe, altmodische schwarze Brille, dicke Beine, regungsloses Gesicht, stoische Buddhahaltung, aber die heißesten Soli, die ich nach Jimmy Hendrix je gehört habe, ohne auch nur einmal auf die Gitarre zu schauen. Die 4 zusammen etwa 10 Meter Bauchumfang. Und dann Queen Ann Hines: Alter in etwa 45-50, groooße Ohrringe, geglättetes Haar, würde bis zur Brust reichen, wenn diese nicht derart üppig wäre, mit dem Bauch zusammen ein Fass in schwarzem Glitzershirt auf zwei Stelzenbeinen, und eine Röhre… Ich sag Euch! Diese Typen gehörten auf die Bühnen der Welt!

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Plötzlich steht er da, auf der leeren Tanzfläche vorne links, wie aus dem Nichts, über 80, etwa 1,65 m groß, sehr dünn, brauner Anzug, beiges Hemd, schräg gestreifte Kravatte in beige-braun, hellbrauner breitkrempiger Hut, dunkles Hutband, ein verklärtes Lächeln und dezente Tanzbewegungen, wie sie nur ein Farbiger machen kann. Er m u s s dem Buena Vista Social Club entsprungen sein. Er tanzt nicht lange allein. Dicke, Dünne, Weiße, Schwarze, gesellen sich zu ihm.

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Und ausgerechnet da leeren sich gleichzeitig bei Kamera und Smartphone die Batterien. Egal. Jetzt können wir uns ganz in die Traumszenerie begeben.

Ein ebenso alter, feiner Herr – er könnte der Bruder des Tänzers sein – bittet uns, an unserem Tisch Platz nehmen zu dürfen. Dieses Lächeln, diese Bewegungen, die Begeisterung über die „schwarzen“ Klänge – und der gütige Blick…man schmilzt dahin. Wir sind in einem anderen Film! Auch wir tanzen – bis in die Nacht. Und viele nicken uns aufmunternd zu. Sie findens gut, dass wir nicht nur Zaungast bleiben, sehen sie uns doch an, dass wir keine Amis sind…

Und am Schluss kaufen wir selbstverständlich die CD!

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Das war DAS Highlight!