Zeitreise in Amerikas Vergangenheit

Am Samstag, den 17. Januar, machen wir uns auf, um an einem der größten Spektakel teilzunehmen, das hier in der Gegend stattfindet und Jahr für Jahr immer größer wird. Wir befinden uns im Amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865, genauer gesagt im Südstaatenterritorium, dem Dixieland. Heuer findet er zum 35. Mal statt, der „Raid On Brooksville“, der Überfall auf Brooksville, bei dem vor 150 Jahren Truppen der Nordstaaten Brooksville überfielen und die Konföderierten in der anschließenden Schlacht unterlagen.Auf dem ungefähr 5 Meilen von unserer Cabin entfernten Gelände einer Scoutgruppe, in der Scout Hill Reservation, finden sich Hunderte von Akteuren und Händlern zusammen, die dieses geschichtliche Ereignis wiederaufleben lassen, indem sie es nachspielen: reenactment eben. Dafür bringen sie alles, was dazu nötig ist, das 19. Jhd. wieder aufleben zu lassen: Uniformen und Vorderlader, Kanonen und Trommeln, Zelte, Betten, nichtmilitärische Kostüme,Hüte, Accessoires aller Art usw.

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Nachdem wir also unsere Maschine am Anfang des Geländes unter den Augen des Sheriffs in einer Reihe von Harleys geparkt haben, machen wir uns auf zu unserem kleinen Fußmarsch zum Einlass. Aus dem Augenwinkel heraus irritiert mich aber etwas – und tatsächlich, da steht wahrhaftig inmitten der Harleys stolz eine California i. Mir wird ganz wehmütig ums Herz, also schnell weiter.

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So gegen 11am betreten wir das Gelände und blicken bereits auf eine lange Phalanx von Stühlen, selbst mitgebrachten oder geliehenen,  die sich entlang der Absperrung zum „Schlachtfeld“ hinzieht. Wir leihen uns 2 Klappstühle und pflanzen sie in der Nähe der Bühne auf. Dann geht es los zum Rundgang durchs Gelände, denn selbstverständlich dürfen die Besucher  – egal ob sie kostümiert sind oder nicht – überall hin, auch in die Sodatenlager. Wer an den Fressbuden vorbei zu den Marketenderzelten vorgedrungen ist, kann sich dort nach der Mode des 19. Jhds. einkleiden oder anderen Krimskrams kaufen. Alles muss im fraglichen Zeitabschnitt vorstellbar sein, wobei man es mit der Authentizität nicht ganz so genau nimmt und schon mal für 400$ einen Colt mit Patronentrommel kaufen kann, obwohl im Amerikanischen Bürgerkrieg nur Vorderlader im Einsatz waren. Aber Autos sind nirgends hier zu sehen, die müssen weit weg parken. Es sei denn, sie müssen Kanonen ziehen, das dürfen sie.

Die Sonne brennt heute vom Himmel und verstärkt die Gerüche vergangener Zeiten nach Stoffen. Wachs, altem Zeug, Holz, Leder und Streu, das die Zeltböden bedeckt. In den Soldatenlagern kommen noch der Rauch der Feuer und die Ausdünstungen der Pferde hinzu.

Überfall stehen oder sitzen Soldatengruppen, deren Zugehörigkeit am blauen oder grauen Tuch abgelesenen werden kann, aber wir wundern uns, wie viele andere Farben von Grün bis Rot an den Uniformen auftauchen. Bei einem Feldgottesdienst gedenken Menschen ihrer im Bürgerkrieg ums Leben gekommenen Ahnen und legen Blumen für sie ab. Alle warten auf den großen Auftritt im Schlachtengetümmel , der so gegen 1 – 2 pm stattfinden soll, wie uns ein solider versichert. Ob wir nicht Lust hätten mitzuspielen?

 

Auf unserem Weg zurück zum Sitzplatz kommen wir nicht an den leckeren Düften der Imbissbuden vorbei, vor denen sich inzwischen lange Schlangen gebildet haben. Wie immer mit stoischer Ruhe: Die Amerikaner are standing in line. Wir stellen uns also dazu und ergattern ein Sandwich mit pulled pork, einer Art Rillette, und einen Burger. 19.Jhd.? Egal, man nimmt es nicht so genau, wie gesagt.

Dennoch stellen wir fest, dass die Menschen dieses Stück Geschichte hinter ihrem Spiel sehr ernst nehmen. Ein Moderator begleitet das sich nun entwickelnde Kriegsgeschehen und es wird deutlich, dass dieser Krieg im Verständnis der Amerikaner die Basis für ihre heutige politische Existenz ist, egal wie grausam er war. Wir Deutschen würden vielleicht eher sagen: Wir sind, was wir heute sind, trotz unserer Kriege. Vor diesem Hintergrund lässt sich der spürbare Patriotismus der Menschen hier nachvollziehen. Während sich also vor unseren Augen mit viel Getöse die Schlacht entwickelt, spielt die Band „7 pounds of bacon“ Taditionals wie „Yellow Rose of Texas“, „Union Dixie“ oder „Battle of Vicksburg“. Eine beeindruckende Vorstellung, deren Spielcharakter aber immer sichtbar bleibt: Gestorben wird nur zögerlich und sehr spät, aber klar, welcher Spieler will schon so früh ausscheiden?

 Achtung: Unten stehende URL verbirgt ein langes Video über den Raid. Bitte kopiert sie und fügt sie ein, dann  kommt ihr auf unser Video bei Youtube.

http://youtu.be/9-rex6YCm4k

 

Nach Beendigung der Kampfhandlungen wird noch eine Fahnenzeremonie demonstriert, bei der eine unbrauchbar gewordene Landesfahne verbrannt wird. Sie wird „retired“, also zur Ruhe gesetzt. Siehe unser retirement (Pensionierung). Bei dieser Gelegenheit werden wie immer bei solchen öffentlichen Veranstaltungen die Militärangehörigen und Veteranen in Publikum per Handhebung geoutet und dann geehrt.

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Gegen Halb Fünf machen wir uns auf den Heimweg.

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Wieder einmal haben wir etwas Phantastisches erlebt.