Wälder, Wasser, Whispering Pines

Das ist Oregon:

Das Wasser kommt erstmal von oben, wir aber, wasserdicht eingepackt und entschlossen, alles schön zu finden und uns nicht unterkriegen zu lassen, cruisen und cruisen ins Landesinnere Richtung Nationalpark und Crater Lake auf nassen Straßen, durch Wälder, Wälder, Wälder.

Bäume, durchwegs Nadelbäume – verschiedenste Arten von Tannen, Fichten, Kiefern, von zart- bis dunkelgrün, teils blauschimmernd oder graugrün, riesige, mittlere und frisch aufgeforstet winzige, schlanke und ausladende, ebenmäßige und schiefe, gerade und bizarr verhutzelte, knorrige und symmetrische, voll im Saft stehende und abgestorbene, bemooste oder flechten-behangene, als hätten Generationen von Waldgeistern sich mit ihren vergilbten Bärten in den Ästen verfangen… es ist faszinierend, welche Vielfalt sich hier auftut. Dabei ist es weit und breit nur Wald, der sich an die Hänge der Berge und Hügel schmiegt. Hier könnten wir dauernd anhalten und ehrfürchtig „ah“ und „oh“ staunen.

Nur ein kleiner Eindruck:

Als wir den Quilt in der Ranger Station entdeckten, sagten wir beide: „Das ist Oregon, so ist Oregon“.

Zwischendurch mal ein Spaziergang zum Salt Creek Fall. Herrlich, die Beine zu vertreten und die frische Waldluft zu atmen. Ein Motel ist für 2 Nächte telefonisch vorgebucht – kein Camping im Regen, wenn sich vermeiden lässt! Wir haben Zeit.

Am Spätnachmittag erreichen wir das Motel mit dem klangvollen Namen „Whispering Pines“ (was – für alle Nicht-Engländer Kiefer heißt, und nicht Pinie). Es liegt an einer öden, aber von vielen Trucks befahrenen Kreuzung am Highway 58, gesäumt von sandigen Kiefern, soweit das Auge blickt, und ist im Führer mit 4 1/2 von 5 Punkten bewertet. Wir sind erst mal skeptisch. Es begrüßt uns Jack the Ripper, ein überaus menschenfreundlicher 8 Monate alter Pinscher (Gisela und Eberhard, wir machen Euch Konkurrenz :-). Er liebt es, auf meinem Arm zu schlafen…

Die Wirtin, eine sehr freundliche, hilfsbereite, stattliche Frau mit langen, grauen Haaren, rauher Stimme, schmutzigem Pullover und dicken Fellhausschuhen begrüßt uns in einem Wiirwarr von Kaufladen, in dem wir am nächsten Tag auch frühstücken sollen. Sie hat das „Anwesen“ erst im Mai gekauft und will es renovieren. In grün- weiß wird es sicher viel einladener wirken. Der Gehilfe ist leicht geh- und sprachbehindert, aber wirklich nett, und zeigt Martin seine Kettensäge, mit der er sich was dazuverdient, indem er winters die Hausdächer und Gärten von den vom Schnee gefällten Bäumen befreit. Seine junge Frau ist auch freundlich. Das Zimmer ist sauber und ungezieferfrei. Das Drumherum aber erstmal nichts für schwache Europäernerven. Doch das legt sich, und wir fühlen uns langsam wohl. 4 1/2 Punkte? Für die Freundlichkeit bestimmt. Die Hunde, zum Pinscher noch 3 große Mischlinge, Karma, Coco und Joker, dazu, werden sehr geliebt und gepflegt. Karma hat übrigens beschlossen, sich auf demselben Stuhl niederzulassen wie Coco. Aber wie? Nur Joker hat sich einen eigenen Stuhl gesucht…

Gegenüber der Straße, dem Highway 58, steht ein Restaurant mit einem netten jungen Wirt, wo das Essen so unglaublich ist wie die Toiletten, das erste auf der Plus-, das zweite auf der Minusseite.

 

Daneben eine Hütte…

ein Liquor- und Geschenkeshop, der neben Regalen voller Hochprozentigem wild durcheinander liegenden verstaubten, alten Plunder, mit uralten Preiszettelchen versehen, für uns weit überteuert zum Verkauf anbietet. In einer Ecke des düsteren Raums, der dringend einer Vollreinigung und sicher auch eines Kammerjägers bedarf, liegt das angestaubte Spielzeug der beiden leicht schmuddeligen Kinderchen, die uns neugierig betrachten, bevor sie von ihrer frustriert wirkenden Mutter, die eigentlich hübsch ist, verjagt werden. Irgendwie herrscht hier die Armut, vermute ich. Sonst gibts hier nichts. Das nächste Leben ist 10 Meilen entfernt, in Chemult.

Von diesem Ort aus starten wir also am nächsten Tag zum Crater Lake. Die Bilder werden für sich sprechen.