Die Harley-Legende von Macon

Eine Einladung zum Abschiedsfrühstück in Bluffton mit Roberta und Paul in süßem Restaurant namens Cottage, mehrfach ausgezeichnet!

Dann quer durch Georgia auf der Interstate. Dunkle Regenwolken um uns. Doch trocken erreichen wir Macon und unser kleines hübsches Quartier bei der 23 jährigen Katharina mit ihren 2 schönen Katzen und der von ihr geretteten goldigen Hündin Grace, die jetzt aufgepäppelt wird. Das Mädchen arbeitet 70 Std/Woche, um ihr Auto abzuzahlen. Man stelle sich das vor!

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Der nächste Tag verheißt nicht besonders spannend zu werden. 20.000 Meilen-Inspektion.

Wir sind pünktlich um 9 Uhr da, Martin checkt das Byke ein, und ich begebe mich zur Kaffeestation, die es in jedem Harley-Shop gibt. Da sitzt ein älterer Herr vor seinem Kaffeebecher, strahlt mich an und bietet mir auch einen Kaffee an. Sofort verwickelt er mich in ein Gespräch, fragt „woher…wohin…?“ und erzählt, seine Ahnen kämen aus einem Dorf Sassamansirgendwas nahe der belgischen Grenze. (Ich hab nur Sassmannsdorf in NRW gefunden.) Er heiße daher Grover Sassaman. Dann erzählt er mir, er sei 94 und der älteste Harleyhändler der USA. Arthur Davidson hat ihn nach dem Krieg eingestellt. Im Krieg sei er im Südpazifik bei der berühmten Black Sheep Squadron geflogen. Er hatte nie geraucht und noch nie Alkohol getrunken. Täglich fährt er – bei gutem Wetter – mit der Harley ins Geschäft. Er ist ein wundervoller Mensch!

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Sein Sohn, der jetzt den Laden führt, und seine beiden Enkel fahren Rennen für Harley. Er strahlt, und wir unterhalten uns prächtig. Dann stelle ich ihm Martin vor, der gerade kommt. Mister Sassaman deutet auf die riesigen Schwarzweiß-Fotos aus vergangenen Harleyzeiten an den Wänden des Geschäfts, die aus seinem Album stammen, und die seine patente Schwiegertochter Lisa vergrößern ließ. Sie leitet die Bekleidungsabteilung, die übrigens top ist. In unseren Augen der beste und reichhaltigst ausgestattetste HD-Laden. Und wir können inzwischen mitreden! Wir verabschieden uns von Grover, bis später.

Dann brechen wir mit Lisa auf, die uns in die Stadt fährt, uns Tipps gibt und für uns, bevor sie uns in ein Frühstückslokal bringt, eine private Sightseeingtour fährt. Die im altehrwürdigen englischen Collegestil erbauten Gebäude der Mercer Universität sind sehr beeindruckend. Und dann natürlich die historischen Häuser und Villen…!

Das Frühstückslokal gehörte früher Ann Jett Lyles, einer berühmten Mörderin in den 1950ern, die ihre zwei Ehemänner, ihre Schwiegermutter und eine ihrer Töchter langsam mit kleinen Arsenportionen im Essen vergiftete (siehe www.anb/org/articles/20/20-01888.html ). Dort gibt es eigentlich kein Frühstück mehr. Es ist bereits halb 11. Aber wenn man eine bekannte Geschäftsfrau und häufiger Gast dort ist, macht der Wirt natürlich auch für die neuen „Freunde“ aus Germany eine Ausnahme.

Wir passieren einen Tisch, an dem ältere Herrschaften ihr Frühstück bereits beendet haben. Man kennt sich und wir werden mit Ah und Oh vorgestellt. Die Bedienung drückt uns eine Speisekarte in die Hand, die wir kaum lesen können, da der „Tisch“ und Lisa ständig auf uns einreden.

„Die Grits (Weizengrütze) ist gut, aber mit Butter! und die Bisquits, und die Eier und….!“

“ Zuerst geht Ihr da hin, dann die Straße runter und die … und….“ Wir können weder in Ruhe bestellen noch den Informationen folgen. Wir werden überschüttet mit Freundlichkeiten, oft in Kaugummimanier gesprochen, die Bedienung ist etwas ungeduldig, und so bestelle ich eine Grütze und ein Spiegelei und eine Grütze mit Spiegelei und 2 Bisquits. Baaah! Egal. Ess ich halt das Ganze mal zwei. Martin schafft es, Rührei mit Schinken und Käse zu ordern.

Lisa geht, der „Tisch“ kommt, einer nach dem anderen. Wir beten jedes Mal die gleiche Geschichte runter, zum 100.000sten Mal. Zwei Ladies kommen zusammen an unseren Tisch. Die eine wohnt irgendwo in den Bergen, verbringt aber den Winter hier. Wir sollen unbedingt die und die Motorrad-Traumstrecke fahren: erst die 75, dann die 76. Ihre Freundin erzählt inzwischen Martin von ihrer 6-wöchigen Fahrradtour an ihrem 50. Geburtstag vor Jahren. Ihr Mann begleicht inzwischen unsere Rechnung, was wir erst später erfahren. Dann kommt er an unseren Tisch und wir lernen uns kennen. Alles wieder von vorn. Er ist die Konkurrenz von Harley und verkauft die Japaner. Und Fahrräder. Da erscheint der Feuerwehrhauptmann von Macon in frisch gebügelter Uniform mit 100 Abzeichen auf dem Hemd. Er ist Experte der Geschichte von Macon. Nun beginnt eine Tortur.

Der Mann redet und redet und redet auf mich ein, Martin guckt er überhaupt nicht an. Dieser verdrückt sich in den Restroom und kommt erst nach 20 Minuten wieder. Mein höfliches Lächeln gefriert langsam. Ich stelle mir diesen braven Bürger in Kukluxklanoutfit vor. Wir sind schließlich in Georgia. Und von den Herrschaften waren sicher einige dabei. Wir können nicht mehr folgen, welches Haus von wem wann wie gekauft, restauriert und sonst was wurde. Der Hondahändler hat sich längst verdrückt. Wir stehen uns in diesem Lokal die Beine in den Bauch, die Visitenkarten -Päckchen in der Hand.

Eeeeendlich schafft es Martin im gefühlten 50.Anlauf, uns alle drei nach draußen zu manövrieren. Der Feuerwehrhauptmann begleitet uns auf dem Weg zum Canon Ball House. Um Gottes Willen! Der wird doch jetzt nicht auch noch mit uns eine Stadtführung machen. Da naht unsere Rettung! Eine alte Freundin begrüßt ihn und hält ihn auf. Wir gehen eisern weiter. Geschafft!

Wieder befreit und Herr unserer Sinne besichtigen wir zwei historische Häuser und die katholische Kathedrale. Dann marschieren wir zu einem Restaurant, berühmt für seine Hamburger, die nach den Musikergrößen Macons benannt sind. Ich bestelle James Brown, Martin nimmt Big O (Otis Redding). Nach dem Essen erhalten wir die Airbnb – Zusage eines Studenten in Athens für den nächsten Tag, auf Deutsch, plus einer Einladung, eine 2.Nacht kostenlos bei ihm zu verbringen. Was ist nur los mit uns? Der Junge kennt uns noch gar nicht, nur von zwei SMS hin und her…Wir haben so viel Glück! Natürlich nehmen wir das Angebot mit Freuden an.

Dann werden wir von dem Rennfahrer abgeholt, ein sehr netter Mann, Lisas Mann und Grovers Sohn. Macon ist weit auseinander gezogen, daher dauert die Fahrt einige Zeit, und wir haben Gelegenheit, mit ihm zu plaudern.

Wieder bei HD treffe ich den alten Herrn wieder, der sich sehr freut und mir wieder seine Zeit schenkt, während Martin mit dem Monteur alles abwickelt und bezahlt. Er erzählt mir von seinem 94.Geburtstag letzte Woche, zu dem ich ihm natürlich nachträglich gratuliere, und von dem Interview, das man googlen und auf YouTube finden kann. Es ist interessant und zu empfehlen. Grover Sassaman zeigt mir noch seinen ersten Laden in Lakeland, Florida, das wir von den „Snowbirds“ kennen, auf einem der großen Wandfotos und strahlt stolz.

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Nachdem er dann zudem charmante Komplimente gemacht und uns jedem einen Kugelschreiber mit seinem Namen geschenkt hat, verabschieden wir uns mit Hugs und geben gegenseitig unserer Freude Ausdruck, uns kennengelernt zu haben.

Was für ein unerwartet ereignisreicher Tag!