Natchez – Sklavenstadt

Wir fahren nun die letzte Etappe auf dem Natchez Trace Pwy.

Wir sind spät dran. Im Visitor -Center wird gleich geschlossen. Wir haben noch keine Unterkunft. Mit Motels ist die Stadt nicht gesegnet. Das Days Inn, das einzige, das wir finden, kostet 140 $ die Nacht. Das letzte Zimmer. Da wir im letzten Monat das Budget überspannt haben, entschließen wir uns zu campen. Es ist ja warm. Die nächste Campsite heißt Plantation Ground. Klingt schön. Ein altes Ehepaar rollt mit einem kleinen Elektrobuggy heran, sie scheinen ein bisschen senil und haben keine Zähne bis auf einen. Der zugewiesene Platz ist schön, unterm Baum, auf einem kleinen Hügel. Es ist schon fast dunkel, als wir das Zelt aufbauen. Dann die Ernüchterung: Die sanitären Anlagen entpuppen sich als Katastrophe! Die Closchüssel ist relativ sauber. Aber sonst nichts. Selbst die Wände… Draußen hängt ein Zettel an der Wand:“Wir können nicht jedem hinterherputzen.“ Das alles hat monatelang keinen Putzlappen mehr gesehen! Martin warnt mich vor den Duschen. Kann sie im Dunkel nicht mehr begutachten. Ich geh ungeduscht schlafen. Am nächsten Morgen reiße ich mich am Riemen und pack mein Duschgel unter den Arm. Ich Öffne die Tür. Alles voll Siff und Schimmel. Vergammeltes Irgendwas am Boden, im Becken…Nein! Niemals! Lieber werfe ich mich in den Mississippi. Die Wohnwagen, die hier rum stehen, sehen auch alle ziemlich versifft aus. Ich säubere mich notdürftig mit unserer Waschschüssel im Zelt. Und jetzt nix wie ab in die Stadt.

Zuerst besichtigen wir die Stanton Hall, eine Südstaatenvilla des 19.Jahrhunderts. Zwei sehr gepflegte, sehr gepuderte und geschminkte, sehr faltige alte Ladys sehen aus wie Relikte aus jener Zeit, begrüßen uns sehr freundlich, die eine händigt uns mit zitternden, blaugeäderten Händen die Eintrittskarten aus, die andere nimmt uns mit zu der kleinen Gruppe von gut gekleideten Interessierten, die schon unter den alten Bäumen des Gartens auf die Führung wartet. Das Fotografieren in den Innenräumen ist untersagt. Die beigefügten Fotos des Interieurs sind hinterher von Ansichtskarten abfotografiert.

Die Villa ist ein Traum an edlen Stoffen, edlen Möbeln und Teppichböden, die nach Originalvorlage rekonstruiert wurden. Die Türen sehen völlig echt nach Eiche aus, das als der Inbegriff schönen Holzes galt, sind aber absolut täuschend bemalte Zypresse. Du siehst es nicht, nur bei genauer Prüfung an den abgesprungenen Kanten. Unglaublich! Mr. Stanton hatten viele Plantagen. Wir wissen, wodurch er reich wurde, hier in den Südstaaten..

Wieder draußen, nehmen wir den Weg vorbei an anderen noch bewohnten Traumvillen, von denen viel Bed&Breakfast anbieten, für viel Geld, steht im Internet, dafür in schlossähnlichen Räumen. (Die haben schöne Duschen… ) Er führt uns zum Haus eines frei gekauften Sklaven namens William Johnson, der als Barbier zu Wohlstand kam und seinerseits Sklaven beschäftigte.

Mit dem Motorrad fahren wir zum alten Sklavenmarkt, der größte von 1830-1863 in den Südstaaten, einer Gedenkstätte, die einem schon den Schauer über den Rücken jagt, wenn man die Namenslisten mit Alter (manch Neugeborenes ist dabei) und Preisen liest.

Hier finde ich einen Hinweis auf die Haitianer, die eigentlich frei sein sollten. Aber wen hats gekümmert? Auch sie hat man, als Farbige den Tieren gleichgestellt, ebenso versklavt. Darüber hatte ich zufällig ein halbes Jahr vorher in dem exzellenten, bestens recherchierten Roman von Isabel Allende „Die Insel unter dem Meer“ gelesen, den ich jedem unbedingt empfehlen möchte. Wieder mal ein Traumbuch, dem „Geisterhaus“ in nichts nachstehend.

Die Rückfahrt an den Fluss führt uns zu einem weiteren Denkmal der Tränen im Viertel der African American, wie die Blacks hier genannt werden: Die bekannte Walter Barnes Bigband mit ihrem Leader spielte vor mehr als 200 Afroamerikanern im Rhythm Night Club im April 1940, als dort ein Feuer ausbrach. Niemand entkam dem Flammen. Diese traurige Ereignis besangen später zahlreiche Musiker. („Natchez Burning“). Auf jenem Grundstück wurde eine Gedenktafel errichtet.

Wir fahren zurück zum Riverside Boulevard, und nachdem wir verbotenerweise einen alten, verlassenen, baufälligen Bahnhof betreten und begutachtet haben,

trinken wir in einer Brauereigaststätte am Mississippidamm draußen in der Nachmittagsonne ein wundervolles kühles Bier aus echten Gläsern (!) und warten, wie am Pavillon gegenüber die festlich gekleideten Hochzeitsgäste und der äußerst umfangreiche Priester auf das Eintreffen der Braut, die irgendwann in einem weißen Einspänner zur Trauung am Ufer des Mississippi vorfährt. Hach! Wie schön!

Ich möchte unbedingt den Sonnenuntergang am Mississippi sehen und wir warten auf einer Bank, genießen das Nichtstun.

Nach einer kräftigen Portion Tamales, scharfen, in Maisblätter gewickelte Fleischteigrollen, bei „Fat Mama“ (so heißt das kunterbunte Lokal) krabbeln wir in unser Zelt und schlafen. Aber vorher lade ich mir noch „Onkel Toms Hütte“ von 18hundert irgendwas auf mein Ebook, das ich als Kind schon gelesen, allerdings nicht so recht verstanden hab, und das – man höre und staune – einen entscheidenden Einfluss auf die Abschaffung der Sklaverei hatte. Ich werde es jetzt wohl mit ganz anderem Blick lesen.

Es gäbe noch einiges mehr zu sehen in Natchez, aber wir müssen weiter in den Süden. Es wird kälter. Aber wenn Ihr mal nach Natchez kommt….