Fun – City: Branson/Missouri

Der Wetterfrosch sitzt ganz unten auf der Leiter, die dunklen Wolken hängen tief, die Vorhersage hat sich um einen Tag geirrt: Auch heute beherrschen heftige Stürme und Wolkenbrüche den mittleren Westen – die Amis sagen „Tornados“ –  sie dramatisieren gern, v.a. im TV. Allerdings pfeift der Wind wirklich heftig, bestimmt Windstärke 6! Wir aber müssen 50 Meilen weiter, denn das Hotelzimmer in Branson ist gebucht, das hier in Springfield aufgegeben. Also Regenkleidung an und rauf aufs Motorrad. Die brauchen wir aber auch. Zum Glück fährt man nur eine Stunde, wenn man denn das Hotel findet. Unser Navy führt uns direkt auf einen – – – Friedhof! Also da will ich bei Gott noch nicht hin. Und auch wenn sich hier Halloween schon überall ankündigt mit Kürbissen, Spinnen, Geistern und Skeletten…nein, hier wollen wir nicht übernachten. Also suchen wir in strömendem Regen und bei schlappen 10°C erstmal ein Cafe, was gar nicht so einfach ist. Wo ist Downtown? Dieser Ort erstreckt sich nämlich über 8 Meilen auf Hügeln, in Tälern, zwischen Wäldchen und Auen. Dafür gibt es hier 50 Theater und jede Menge Vergnügungenhallen, z.B. Minigolf, Skaterbahnen, Veteranenmuseen, Titanicnachbau, Funhotels, Pools, Souvenirläden, Autoscooter, etc.pp. Ein unglaubliches Dorado für jede Art von Freizeitvergnügen und Spass, natürlich ein Superlativ! Man nennt Branson auch das Las Vegas für Familien. Gut, irgendwann stapfen wir triefend vor Nässe in das kleine 50er-Jahre-Cafe, das mit einer Uhrensammlung aller Couleur vollgestopft war.

Es gab sogar Kaffee, den dünnen, der wie Spülwasser schmeckt. Dafür bekommt man umsonst nachgeschenkt bis zum Abwinken. Ich winke gleich ab. Kaffeeausschank ist in hiesigen Cafés nicht selbstverständlich, denn viele sind getarnte Restaurants. Und in denen gibt es hauptsächlich Softdrinks. Auch selten Bier. Die begrenzten Alkohollizenzen werden jährlich von der Stadt an die unterschiedlichen Lokale versteigert. Nun gut. Wir essen einen Burger mit Diät Cola, natürlich ein kleines. Da ist ungefähr ein Esslöffel weniger drin als in Medium, ist aber schon so groß, dass man es kaum runter bekommt, ohne anschließend zu gluckern. Wir bestellen meistens Getränk ohne Eis, weil selbst die schon so kalt sind, dass einem Zähne und Speiseröhre schmerzen, wenn man nicht nur ein gaaanz kleines bisschen nippt. Martin nippt also sein Coke light, ich spüle den Kaffee mit den Hamburgerbissen runter – nein, nein, die Reihenfolge ist schon richtig! Dann sind wir wieder draußen und haben das Glück, dass direkt nebenan ein Kartenverkaufscenter steht, wo uns eine freundliche Lady mit Informationen und Tipps zuschüttet. Wir kaufen Karten für Shows für die nächsten beiden Tage und folgen der Wegbeschreibung der Lady, die uns direkt ins australisch geführte Outback-Motel führt. Jetzt erstmal unter die heiße Dusche, dann ausruhen. Um 6 Uhr fahren wir Richtung Theater und halten vorher bei Godfathers Pizza, wo wir für 9,99 $ ein wahnsinniges Buffet mit All-you-can-eat bekommen. Leider, oder besser Gottseidank haben wir nur wenig Zeit – man könnte ja noch Stunden weiterschlemmen – denn um 20.00 Uhr beginnt die Vorstellung der Rankin Brothers, die mit ihrer Band und einer weiblichen Verstärkung uns in die 50er und 60er entführen, eine supertolle Performance mit den schönsten Hits aus der Zeit und natürlich einer Elvis-auf-Hawaii-Nummer, die Stimme hervorragend imitiert. Ein toller Abend in einem superplüschigen Theater mit Säulen, Goldverzierungen und samtrotem Chenillevorhang. Leider nur ein heimliches Foto von der Show, fotografieren war untersagt. Aber danach…

In der Nacht strömt es wieder vom Himmel und beruhigt unseren Schlaf.

Der Morgen empfängt uns noch sehr nass. Aber mittags spitzt ab und zu mal die Sonne hinter dem dramatischen Dunkelblau hervor, und wir machen uns auf den Weg ins alte Viertel. Wir besuchen einen American Countrystore, ein riesiger, vollgestopfter Laden im alten Stil, wo du alles Erdenkliche kaufen kannst, vom Cowboyhut über Liebestöter bis zu Zahnpulver und Nähzeug, und natürlich Süßwaren.

Wir schlendern durch die Einkaufsstraße,

ich probiere ca 15 Levis-Jeans an, bis ich die richtige Größe finde, um festzustellen, dass keine richtig sitzt. Wohl nicht meine Marke. Aber auf Lee oder Wrangler haben wir jetzt überhaupt keine Lust mehr. Außerdem beginnt um 16.00 Uhr die Vorstellung der Sonntagsshow, nämlich „Dolly Parton’s Dixie Stampede“!

Das hat die berühmte Countrysängerin, die mit ihrer Friedensbotschaft – God bless America – über Leinwand eingespielt wird, von ihren Vorfahren geerbt, eine Institution seit dem 19.Jh, als ihr Ahne mit dem gleichen Nachnamen jährlich ein Wagenrennen zwischen Nordstaatlern und Südstaatlern veranstaltete, dann in den folgenden Generationen weitergeführt und zur Supershow perfektioniert wurde. Bitte schaut Euch das bei YouTube (Dolly Dixie Stampede) an, damit Ihr eine Vorstellung bekommt, was wir da Eindrucksvolles erlebt haben. Wir waren, nach der Stallbesichtigung mit den traumhaften ca 20 Pferden, unter den 1000 Zuschauern einer Vorstellung (zwei gibts pro Tag). Das Essen – Gemüsesuppe mit Brötchen, ein ganzes kleines Brathuhn, butterzart, und eine Scheibe Schweinefleisch, mit Ofenkartoffel und Maiskolben und Apfelkuchen, Kaffee, Cola und Eiswasser, so viel man wollte. Das alles während der Show mit tollen Kunstreitern und – reiterinnen in traumhaften Glitzerkostümen, Planwagenrennen, einer echten Bisonherde und drei Longhornrindern, ein Ferkel- und Hühnerwettrennen u.v.m. unter Einbeziehung des gewaltigen Publikums als Nord- und Südstaatler. Die Geschichte Amerikas wurde – weißgewaschen – erzählt, die dunklen Seiten der Historie natürlich weggelassen. Es war eine beeindruckende, manchmal mitreißende Vaterlandsverherrlichung, wie es nur die Amerikaner hinkriegen, und wie wir es uns nach Hitler nie erlauben würden. Es ist auch faszinierend, wie in den Shows auch immer die Veteranen, die in Kriegen ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, mit Sicherheit im guten Glauben an die Befreiung von Menschen, (m.E. großenteils mit Recht) geehrt werden. Wo wären wir Deutschen jetzt ohne die westlichen Aliierten…?

Nun, man kann an dieser Vorstellung mit Sicherheit etliches kritisieren, das Für und Wider erwägen, die politische Korrektheit hinterfragen, ins Grübeln geraten. Man kann es aber auch einfach als Zirkusvorstellung, als Unterhaltung genießen, und wir haben uns entschlossen, es so zu nehmen. Es war einfach eine wie auch immer geartete, perfekte Inszenierung.

Wie gesagt, schaut mal bei YouTube rein. Und wer will, kann sich dort auch mal Dolly Parton´s tolle Stimme anhören, z.B. mit ihrem Song „Stand by your man“.